Über Eugen Drewermann

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«So sehr muss Jesus sich jedes Großtun, jede Gefallsucht geradezu verboten haben.
Seine Größe war, zwischen der Sonne und den Menschen mit der eigenen Gestalt keinen Schatten zu werfen. Dass er durchsichtig wurde auf das Licht hin, dies muss seine Größe und Göttlichkeit gewesen sein.»

(Eugen Drewermann in «Und er legte ihnen die Hände auf», topos-Verlag)

«Wenn man erst einmal spürt,
was Menschen sein könnten,
bleibt die Unmenschlichkeit der so genannten
Normalität nicht länger normal.»
(Eugen Drewermann in «Wie zu leben wäre», Herder-Verlag)

Die erste Begegnung mit Drewermanns Schaffen hatte ich – noch ein Kind –, als ich in den Bücherregalen meiner Eltern stöberte und auf ein Buch über Märchendeutung stieß. Das mir bekannte Märchen wurde hier aber ganz anders gesehen: Ich las es, als wäre ein Schleier von den mir bekannten und manchmal wenig nachvollziehbaren Schilderungen weggezogen worden – und man konnte direkt in die Seelen der plötzlich sehr menschlich gewordenen Figuren blicken.

Wenn ich ihn heute sehe, höre oder lese – sei es sich entrüstend über das aktuelle Weltgeschehen, oder wenn er Märchen oder die Bibel für uns vermeintlich entzaubert, und somit der Sinn von Bekanntem ganz neu erstrahlt – dann ist das für mich magisch. Ich bin beeindruckt von seiner Sprach«gewalt», von dem tiefen Mitgefühl, das man sofort spürt, von der Weisheit, die in den Worten dieses blitzgescheiten Mannes liegt. Ich nehme ihm jedes Wort ab, und ich weiß, dass er auch lebt, was er schreibt: Er spendet einen Großteil seines Einkommens, wohnt sehr bescheiden in Paderborn – ohne Telefon, Internet, Kühlschrank … aber mit jeder Menge Büchern. Er gönnt sich wenige Pausen, engagiert sich unermüdlich vielerorts und lebt vegetarisch.

In der Kirche war es für mich als Kind ausnahmslos so, dass ich den Pfarrern ihr Vorgetragenes einfach nicht geglaubt habe… Allein schon die Rhetorik, der Tonfall – all das erschien mir wie eine Art Theaterstück, eher wie Politiker reden. Eine sachliche Distanz zum Gesprochenen unterstrich die ganz reale, gut fühlbare Kälte im Gotteshaus – und eigentlich drehte es sich doch um Liebe! Aber bei Drewermann liegt das Herz auf der Zunge, und seine «unangenehmen» Aussagen – etwa in Sachen Kriegspolitik – treffen genau ins Schwarze. Ich bin mir sicher, dass seine zeitlosen Worte eine Sprache sind, die über die Jahrhunderte hinweg gehört werden wird – über konfessionelle und politische Grenzen hinweg. Ganz einfach, weil sie an das Herz und an den gesunden Menschenverstand erinnert, weil sie nie ausgrenzt und Verständnis schafft.

Und das sollte die Aufgabe eines Gottesmannes sein: Worte solcher Art zu finden. Die Kirche jedoch wollte diesen Priester, der beispielsweise die Jungfrauengeburt als Tatsachenbericht anzweifelte, nicht mehr – sie entzog ihm die Lehrerlaubnis und erteilte Redeverbot. So verließ Eugen Drewermann die Kirche und arbeitet weiterhin als Seelsorger: als Psychotherapeut und Schriftsteller.

Was ich persönlich niemals vergessen werde, ist das Wunder seines Zuhörens. Ich habe nie wieder einen Menschen erlebt, der so zuhören kann. Ohne sich im Geist gleichzeitig mögliche Antworten zurechtzulegen, ohne das Gehörte parallel mit seinen eigenen Erfahrungen abzugleichen und verknüpfend vorzubereiten. Er hat nicht nur wahrgenommen was ich gesagt habe, sondern mich als ganzen Menschen erlebt, indem er vollständig Zuhören war, Präsenz war. Still, geduldig, sanft und Raumgebend. Es gab nur sein Zuhören und mich in diesem Moment. Ich habe mich nicht nur gehört, erhört gefühlt, sondern auch erkannt, dass wir das ganze Leben nach Aufmerksamkeiten suchen, und es unendlich wertvoll ist, Menschen Aufmerksamkeit zu schenken. Und das was sie sprechen, ist letztlich oft gar nicht so wichtig. Aber dass wir zuhören und hinsehen.

«Die wirklichen Wunder ereignen sich selten spektakulär.
Sie antworten auf Tragödien des Alltags, sie heilen die Wunden in unserem so unauffälligen Leben.
Die schönsten Wunder sind die kleinen Geschichten unserer Freiheit, die erkämpft wird wie ein Tod und die gelebt wird wie eine Auferstehung unter den Händen Gottes, der will, dass wir selber sind.»

(Eugen Drewermann in «Und er legte ihnen die Hände auf», topos-Verlag)

«Man sollte nur denken was man auch fühlen kann
und man sollte als Gefühl nur akzeptieren was sich auch denken lässt.
(...)
Nur Menschen die fühlen was sie denken
und die denkend fühlen
können Menschen gerecht werden.»
(Eugen Drewermann im Gespräch bei Nordwestradio, Reihe «Redefreiheit» vom 19.12.2015)


Eugen Drewermann kennenlernen:  

 

© Maria Rabia Rossmanith, MEERSTERN.de 


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